Neuregelung Länderfinanzausgleich
Ich spreche von einer historischen Lösung, weil dies erst- und einmalig ist, dass sich die Ministerpräsidenten ganz unterschiedlicher politischer Ausrichtung verständigen konnten.
Horst Seehofer, bayerischer Ministerpräsident
Es war für viele eine Überraschung. Als Seehofer bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Bremen kurzfristig und ungewöhnlich seine Teilnahme absagte, um sich der Flüchtlingsthematik vor Ort im eigenen Freistaat zu widmen und am Ende mit sehr Ungefährem sogar fast die gesamte Presseaufmerksamkeit nach Süden umzulenken vermochte, wurde das Thema Länderfinanzausgleich auf das nächste Treffen verschoben. Vorher erreichten mehrere Vorschläge einzelner Länder oder Ländergruppierungen die Öffentlichkeit, stets gefolgt von einer Absage aus einem anderen Lager. Immer vor einer der vierteljährlichen Konferenzen befragten Journalisten die Entourage der Verhandlungsgesandten nach deren Zuversicht, nie war es um diese wirklich gut bestellt. Bis zum 3. Dezember 2015 um 14:59 Uhr, als nach einer langen Nacht die letzten Unstimmigkeiten soweit ausgeräumt werden konnten, dass eine Einigung der Länder der Position des Bundes gegenüberstand.
Der Länderfinanzausgleich ist ein Evergreen in der deutschen Finanzpolitik. Ein mathematisches Regelsystem entscheidet über hunderte Millionen Euro, die ein Land mehr und damit ein anderes weniger haben könnte. Da es umgekehrt sehr schwierig ist, ein Land davon zu überzeugen, für andere auf Geld zu verzichten, wurde dieses Nullsummenspiel schon bei der Neuregelung 2001 mit Geld vom Bund durchbrochen. Seinerzeit musste das Finanzausgleichsgesetz geändert und um das Maßstäbegesetz erweitert werden, weil zwei Jahre zuvor das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit des Grundgesetzes mit einer im Algorithmus versteckten Übernivellierung feststellte. Es war der einzige beanstandete Punkt neben einer Reihe von Argumenten, die sich trotzdem auch in der aktuell laufenden Klageschrift Bayerns und Hessens wiederfinden. Bei der Neuregelung gab es 16 Gewinner mit durchschnittlich 15 Euro mehr je Einwohner. Bayern sollte jährlich 200 Millionen Euro mehr haben, in den Folgejahren erhöhte sich dieser Vorteil durch den veränderten Abschöpfungstarif und das weiterhin überdurchschnittliche Steuerwachstum im Freistaat.
15 Jahre später wurde das Schauspiel jetzt wiederholt. In der Einigung gehen die 16 Gewinner von zusammen 9,65 Milliarden Euro aus, die ihnen der Bund zu Beginn der Neuregelung im Jahr 2020 abgibt. Niedersachsen erhält 86 Euro je Einwohner, Bayern 103, die anderen liegen dazwischen. Stehen damit die Gewinner und Verlierer unter den Gewinnern fest? Die Schwierigkeit bei der Beurteilung liegt in dem dynamischen Verlauf dieser Zuwächse, je nach dem, wie sich das Steuerkraftverhältnis der Länder untereinander entwickelt. Zunächst zu den Ostdeutschen Ländern: Ihnen ist besonders wichtig, nicht noch mehr Geld zu verlieren, wenn 2019 der Solidarpakt ausläuft. Ihre überproportionale Angleichung der Finanzkraft haben sie dem sogenannten Umsatzsteuervorwegausgleich zu verdanken. Dieser verteilt die Solidarität auf alle Deutsche und nimmt damit Nordrhein-Westfalen soviel an relativer Steuerkraft, dass es dadurch von einem sogenannten Geber- zu einem Nehmerland in der nächsten Stufe des eigentlichen Länderfinanzausgleichs wird. Durch die Zusammenlegung der beiden Stufen wird die Steuerkraftstärke Nordrhein-Westfalens offensichtlich, finanziell ergibt sich daraus allerdings kein Vorteil. Wird aber der schwächere Auffüllungstarif im gesamten Ausgleich angewendet, erhalten die immer noch deutlich finanzkraftschwächeren Neuen Länder wesentlich weniger Zuweisungen. Um das zu kompensieren, wurden Zuweisungen des Bundes zum Ausgleich der Finanzkraftunterschiede auf Gemeindeebene und eine stärkere Berücksichtigung im eigentlichen Länderfinanzausgleich festgelegt. Bremen und das Saarland bekommen 100 Millionen Euro mehr an Zinshilfen und dürfen wie alle Länder durch Gemeinschaftskredite mit dem Bund Zinsvorteile nutzen. Einen Vorteil gerade für Bremen und Berlin ergibt auch die durchgehende Berücksichtigung der angepassten Einwohnerzahl. Die Geberländer schließlich profitieren bei einer stärkeren Steuerkraft von einem niedrigeren linearen Abschöpfungstarif.